Mit einer Fernstudienkomponente und einem Netzwerk auf neuen Wegen in der wissenschaftlichen Weiterbildung. Am Beispiel der "Psychologischen Gesundheitsförderung" für Krankenpflegepersonal im Netzwerk der Universitäten Berlin (FU), Bern, Frankfurt a.M., Hamburg, Hildesheim, Karlsruhe, Koblenz-Landau und Oldenburg.

von Ulrich Bernath

in: AUE-Informationsdienst, Hochschule und Weiterbildung 1/97, S. 29 - 32

Siehe auch: Diskussionsbeitrag über "Interdisziplinarität, Innovation und Transfer" am Beispiel der Weiterbildung "Psychologische Gesundheitsförderung" im Rahmen der AUE-Jahrestagung 1997 in Flensburg


1. Vorbemerkung

Die Beweggründe für die Entwicklung und Erprobung eines neuartigen Lehr-/Lernmodells mit Elementen der Fernlehre ergaben sich Mitte der achtziger Jahre aus Planungen eines pflegewissenschaftlichen Studiengangs an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Auf dem Weg dahin erwiesen sich erste Weiterbildungprogramme für Krankenpflegepersonal als trag- und ausbaufähig.

Mit der verstärkten Orientierung auf die berufsbezogene wissenschaftliche Weiterbildung bei schwindender hochschulpolitischer Aussicht auf einen pflegewissenschaftlichen Studiengang verlagerte sich die Perspektivplanung von der "Arbeitseinheit Psychologie im Gesundheitswesen" des Fachbereichs Psychologie in das Fernstudienzentrum der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

Das Weiterbildungsprogramm "Psychologische Gesundheitsförderung für Krankenpflegepersonal" wurde in fünfjähriger Entwicklungsarbeit auf Lehrtexte gegründet. (BERNATH, FICHTEN, LAUTH, ROHLFING 1989)

Zu dem Entwicklungsteam gehören Wissenschaftler des Fachbereichs, externe Experten und Mitarbeiter aus den drei zentralen Einrichtungen für Fernstudium, für wissenschaftliche Weiterbildung und für Medientechnik (heute: Bibliotheks- und Informationssystem) der Universität Oldenburg.

Psychologische Gesundheitsförderung für Krankenpflegepersonal (Stand der Lehrtextentwicklung: 1997)
  • Dr. Wolfgang Fichten, Psychologische Gesundheitsförderung. Eine Einführung, 25 S.
  • Bernd Kuhlmann, Verhältnis von Körper und Seele, 75 S.
  • Dr. Joseph Rieforth, Krankheit im sozialen Kontext, 68 S.
  • Dr. Wolfgang Mischke, Helfende Gespräche (bis 1995), 74 S.
  • Ilka Gloystein, Hilfreiche Gespräche (ab1995), 51 S.
  • Prof. Dr. Gerhard W. Lauth, Der Patient als aktiver Partner (vorher: Beeinflussung des Patientenverhaltens),66 S.
  • Anke Doubrawa, Die Person in der Pflege (vorher: Reflexion der Helferrolle), 63 S.
  • Dr. Wolfgang Fichten und Ulrich Rohlfing, Kollegiale Supervision, 71 S.
  • Dr. Petra Scheibler, Arbeitsfeld Krankenhaus: Soziologisch-organisatorische Aspekte, 74 S.
  • Dr. Petra Scheibler, Interkulturelle Kommunikation und Interaktion im Krankenhaus,64 S.

1992 konnte auf der Basis der Lehrtexte, die sich inzwischen auch in einem Fernlehrgang bewährt hatten, das Netzwerk aus acht deutschen (anfangs mit Kaiserslautern) und später auch einer Schweizer Universität gebildet werden. Die Weiterbildung "Psychologische Gesundheitsförderung für Krankenpflegepersonal" wird seitdem von dem universitären Kooperationsverbund in parallelen Programmen angeboten. (BERNATH, FICHTEN 1993)

Im Jahre 1994 trat das Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V. (KfH) in Neu-Isenburg an das Netzwerk der Universitäten heran, um die Weiterbildung in "Psychologischer Gesundheitsförderung" seinen Pflegekräften in Dialysezentren anbieten zu können. So entstanden überarbeitete Lehrtexte und ein Dozentenmanual für die Weiterbildung der Pflegekräfte in der Dialyse.

Am Anfang des Jahres 1997 hatten schon mehr als 1.000 Schwestern und Pfleger aus Krankenhäusern und Dialysezentren die mindestens halbjährige berufliche Weiterbildung im Umfang von mehr als 200 Arbeits- bzw. Unterrichtsstunden mit einem Zertifikat absolviert. Allein durch die Teilnahme an den Seminarveranstaltungen können sie ein Kontaktstudium bzw. eine wissenschaftliche Weiterbildung in einem vergleichbaren Umfang von sechs Semesterwochenstunden nachweisen.

Das Netzwerk der Hochschulpartner hat seit seinem Bestehen ca. 400 Kompaktseminare durchgeführt. Die fortlaufende Evaluation mit allen Beteiligten gelangt immer wieder zu überaus positiven Berwertungen sowohl der Lehrtexte der Universität Oldenburg als auch der Leistungen der Dozenten des Netzwerkes aus den acht beteiligten Universitäten. (FICHTEN 1997)

2. Die Idee vom Netzwerk für eine wissenschaftliche Weiterbildung mit einer Fernstudienkomponente

Das Fernstudienzentrum der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg besteht seit 1978 und nimmt in der Hauptsache die Rolle eines regionalen Stützpunktes für die Studienberatung und fachliche Betreuung Studierender der FernUniversität wahr. (BERNATH 1993)

Darüberhinaus entwickelt das Fernstudienzentrum auch eigene Fernstudienprojekte aus der Universität Oldenburg heraus. Insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der mit der Praxis von Mentorinnen und Mentoren in Fernstudienzentren (BERNATH 1992) und ihrer Marginalisierung im zentralistischen Modell der FernUniversität sind die Oldenburger Eigenentwicklungen auf alternative Fernlehr- und Hochschulkooperationsmodelle gerichtet worden, wie sie den Hochschulen in Deutschland nachdrücklich auch vom Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zum Fernstudium im Jahre 1992 nahegelegt wurden.

Auslöser für die Initiierung des Netzwerkes waren:

3. Die Partner im Netzwerk

Die Kooperation gelang, weil Wissenschaftler und Leiter zentraler Einrichtungen aus acht Universitäten die zentrale Lehrtextvorgabe mit ihren Ansprüchen nach dezentraler Autonomie bei der Gestaltung der Weiterbildungsprogramme in Einklang brachten und so ein neuartige Netzwerk errichteten.

Für vereinheitlichte Qualitätsstandards, für die optimale Entfaltung der Dozenten im lehrtextgestützten Lehr-/Lernkonzept und für die Bereitstellung organisatorischer Leistungen durch die beteiligten Hochschulen konnten Wege und Verfahren entwickelt und gefunden werden.

Die Beteiligten aus Universitätseinrichtungen, Wissenschaftler und externe Experten nahmen im Netzwerk ganz unterschiedliche Positionen und Rollen ein:

Das Netzwerk "Psychologische Gesundheitsförderung" finanziert sich überwiegend aus Teilnehmerentgelten und hat bisher keine eigenen, verfestigten administrativen Strukturen gebildet.

Das Netzwerk wird an den deutschen Universitäten von zentralen Einrichtungen für Fernstudium und Weiterbildung betrieben, die auch im Jahre 1995 maßgeblich an der Gründung der Arbeitsgemeinschaft für das Fernstudium (AG-F im AUE e.V.) beteiligt waren.

4. Die Adaptation der Lehrtexte als Schlüssel für einen nachhaltigen Erfolg

Von besonderer Bedeutung ist bei der Frage nach den Garanten für den Umfang und die Qualität der Weiterbildungsmaßnahmen das Gelingen des Adaptationsprozesses. Damit sind Vorgänge angesprochen, die die Übergabe von Lehrtexten in die Hände von Lehrenden bzw. Dozenten anderer Universitäten betreffen und darauf gerichtet sind, den lehrtextbezogenen Selbstlernprozeß mit der darauf aufbauenden bzw. sich darauf beziehenden Lehr- bzw. Weiterbildungsveranstaltung zu verbinden. (BERNATH, FICHTEN 1997)

Die Adaptation von Lehrtexten in einem auf Weiterbildung gerichteten Lehr-/Lernkonzept gelingt dann, wenn

Für die Erfüllung dieser Bedingungen werden die Oldenburger Lehrtexte nicht aus fachsystematischer oder disziplärer Sicht, sondern im Hinblick auf berufspraktische Problemlösungs- und Handlungskompetenz entwickelt. Die Autoren bilden als Experten ein Kursteam, das fernstudiendidaktisch beraten wird.

Die Lehrtexte werden von den Teilnehmern der Weiterbildungsmaßnahmen nach den Kriterien "Informationsgehalt", "Verständlichkeit", "Anregungspotential" und "Praxisbezug" bewertet.

Die Dozenten eignen sich die Lehrtexte an und gestalten in eigener Verantwortung die jeweils darauf bezogenen Seminarveranstaltungen. Ersteres gelingt, weil sie die Lehrtexte mit ihrer eigenen fachlichen Kompetenz gut in Einklang bringen können, was durch die statements "Als Autor würde ich 80 % des Lehrtextes genauso verfassen" oder "Ich teile die generelle Linie des Lehrtextes und kann diese wie einen roten Faden in dem Kompaktseminar aufnehmen" am besten repräsentiert wird. Daraufhin gelingt ihnen - gemessen an dem Erfolg der durchgeführten Programme - der Adaptationsprozeß, weil sie die Lehrtext- und die Seminarkomponente der Weiterbildungsmaßnahme in eine nachhaltige Verbindung bringen.

Übergaberituale von Lehrtexten, Evaluationen, Netzwerkkonferenzen und Dozentenmeetings gewährleisten die kritische Reflexion unter den Beteiligten und gewährleisten die Weiterentwicklung des Netzwerkes und der damit einhergehenden verschiedenen Arbeitsprozesse.

Referenzen

U. Bernath, W. Fichten, G. Lauth, U. Rohlfing, Psychologische Gesundheitsförderung als Weiterbildungsmodell für das Krankenhauspflegepersonal, Oldenburg 1989, 111 S., Anh.

Wissenschaftsrat, Empfehlungen zum Fernstudium v. 13.11.92, Hannover, Drs. 929/92

U. Bernath, Zur Stellung und zum Stellenwert der Mentorentätigkeit im Fernstudiensystem der FernUniversität Hagen. Ein Diskussionsbeitrag aus dem (nicht-nordrheinwestfälischen) Fernstudienzentrum der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg im Jahre 1991, in: Lehre und Betreuung im Fernstudium. Abschlußbericht zum Ringkolloquium des ZIFF im Wintersemester 1991/92, hrsg. v. Nicola-Maria Bückmann u.a., FernUniversität - Gesamthochschule - in Hagen, Mai 1992, S. 75 - 87

U. Bernath, Eine abschließende Betrachtung über 15 Jahre Fernstudienzentrum der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, in: 15 Jahre Beratung und Betreuung für Studieninteressenten und Studierende der FernUniversität - Gesamthochschule - durch das Fernstudienzentrum der der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 1978 - 1993, Oldenburg 1993, S. 111- 122

U. Bernath, W. Fichten, Towards Modules in Open Distance Learning for Nurses, in: EADTU-News, Newsletter of the European Association of Distance Teaching Universities, Issue 14, Aug. 1993, S. 38 - 39

Dozentenmanual der Oldenburger Projektarbeitsgruppe "Psychologische Gesundheitsföderung" Anke Doubrawa, Dr. Wolfgang Fichten, Ilka Gloystein, Bernd Kuhlmann, Prof. Dr. Gerhard W. Lauth, Dr. Joseph Rieforth in Zusammenarbeit mit Ulrich Bernath, 1995

W. Fichten, Psychologische Gesundheitsförderung für Pflegekräfte in der Dialyse. Projektbericht. Manuskript, Oldenburg 1997, 20 S. m. Anh.

U. Bernath, W. Fichten, Adaptation in Distance Education - With New Experiences from Networking Universities in Germany. Paper to be presented to the 18th ICDE World Conference, Pennsylvania State University, June 2 - 6, 1997, 5 p.

Zentrale Einrichtungen an deutschen Universitäten für das Fernstdudium. Portraits aus Bremen, Frankfurt a.M., Hamburg, Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz-Landau, Lüneburg, Oldenburg und Saarbrücken, 34 S., o.J.

Abschlußdatum: 30. April 1997