Regionalisierung im Fernstudium
Netzwerke zwischen Hochschulen und Weiterbildungsträgern der Region

Ulrich Bernath

in: H. Asselmeyer/H. Gauger/B. Klinge/E. Wagner (Hrsg.); Fernstudium - Neue Initiativen in Ost und West. Hildesheim 1993, S. 95 - 104


Das Fernstudium ist in Deutschland im wesentlichen die Angelegenheit der FernUniversität - Gesamthochschule - Hagen, die nach der föderalistischen Verfassung die Hochschule eines Landes, nämlich Nordrhein-Westfalens, ist. Ihre Fernstudienmethodik verleiht ihr eine zentrale Funktion für Fernstudierende in ganz Deutschland und im deutschsprachigen Ausland.

Die Frage nach der "Regionalisierung" im Fernstudium stellt sich folglich nicht nur für Nordrhein-Westfalen, wenn man davon ausgeht, daß zum Fernstudium einer zentralen Fernuniversität regionale Stützpunkte gehören. Die FernUniversität hat für sich in Nordrhein-Westfalen Außenstellen als Studienzentren errichtet und damit gleichzeitig der Bildungsperipherie des Landes zu einer Infrastruktur für Aus- und Weiterbildung im Fernstudium verholfen. Die Studienzentren werden zentral von Hagen aus gesteuert.

Außerhalb Nordrhein-Westfalens ist die Frage nach den regionalen Stützpunkten für Fernstudierende entweder als eine Angelegenheit der staatlichen Landes-Hochschulpolitik anerkannt oder von privaten Interessenten bzw. Institutionen beantwortet worden 1).

Das Land Niedersachsen hat in besonderer Weise 2) von Anfang an die Entwicklung der FernUniversität mit einer eigenen Initiative verknüpft 3).

An drei niedersächsischen Hochschulen, in Hildesheim, Lüneburg und Oldenburg, wurden bereits 1978 Fernstudienzentren als zentrale wissenschaftliche Einrichtungen geschaffen. Damit wurde eine seinerzeit einmalige, landesweite Infrastruktur für die Begleitung der Fernstudierenden der FernUniversität und für die Mitwirkung von Präsenzhochschulen an Fernstudienentwicklungen errichtet 4).

Die Kenntnis der regionalen Infrastruktur, womit die auf Dauer geschaffenen Einrichtungen gemeint sind, ist unumgänglich, um über Netzwerke reden zu können, denn hierbei sollte die Betrachtung meines Erachtens auf das operative Handeln im Netz von Einrichtungen bzw. deren Personen gerichtet werden. "Networking" ist in der Beziehung der drei niedersächsischen Fernstudienzentren institutionell angelegt worden.

Einerseits trägt die zusätzliche Existenz der koordinierenden "Zentralen Arbeitsstelle Fernstudium" in Hildesheim zu einer dauerhaften Kooperation bei.

Andererseits erzwingen die relativ bescheidenen Mittel in den drei Fernstudienzentren für eine flächendeckende Beratungs- und Betreuungsleistung gegenüber den Fernstudierenden in Niedersachsen die Kooperation untereinander. In den fünfzehn Jahren ihrer Existenz haben die niedersächsischen Fernstudieneinrichtungen demzufolge eine Vielzahl von Netzwerken betrieben, um auf diese Weise ihre regional orientierten Leistungen im Fernstudium zu erbringen und diese durch interne Zusammenarbeit und externe Kooperationen zu effektivieren.

Hiervon will ich aus der Sicht des Oldenburger Fernstudienzentrums einen Eindruck vermitteln.

Das Fernstudienzentrum der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ist im Verbund der niedersächsischen Fernstudienzentren für den Nordwesten Niedersachsens zuständig, um der Regionalisierung des nationalen Fernstudienangebotes, insbesondere dem der FernUniversität im Lande Niedersachsen Vorschub zu leisten. Daneben wirkt das Fernstudienzentrum als Zentrale Einrichtung der Universität Oldenburg an Fernstudienentwicklungen durch die Fachbereiche der eigenen Universität mit und ist an der Verbreitung von Fernstudien beteiligt.

Auf diesem Hintergrund sollen die folgenden "Netzwerke zwischen Hochschule und Weiterbildungsträgern der Region" vorgestellt werden:

1. Die Netzwerke zwischen dem Oldenburger Fernstudienzentrum, seiner Außenstelle an der Fachhochschule Ostfriesland in Emden und der Heimvolkshochschule in Aurich (siehe Schaubild 1 (im Original)).

2. Die Netzwerke zum Fernlehrgang "Ökologie und ihre biologischen Grundlagen und zur Lehrerfortbildung im Fernstudium "Informatische Grundkenntnisse" (siehe Schaubilder 2 - 4 (im Original)).

Zu 1. Die drei niedersächsischen Fernstudienzentren haben für eine flächendeckende Beratungs- und Betreuungsleistung für Fernstudierende der FernUniversität ihr institutionelles Kooperationsnetz in ihren Regionen schon frühzeitig verdichtet; angesichts zu großer Einzugsgebiete 5) wurden Außenstellen geschaffen.

Deren Funktion konnte im Rahmen eines Modellvorhabens in den Jahren 1985 bis 1988 mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft erprobt werden 6).

Als besonders erfolgreich erwies sich die Errichtung der Außenstelle des Oldenburger Fernstudienzentrums an der Fachhochschule Ostfriesland in Emden. Damit konnten nicht nur die Angebote der FernUniversität sondern auch eine beachtliche Zahl von zusätzlichen Fernstudien zur wissenschaftlichen Aus- und Weiterbildung die Region bereichern 7). Die nennenswerten Schwerpunkte der Arbeit in der Außenstelle in Emden sind:

- ein studieninteressenten- und studienanfängerbezogenes Beratungs- und Betreuungsangebot im Fernstudium,

- Weiterbildungsprojekte mit Fernstudien durch Kooperationen in der Region,

- ein Fernlehrgang "Studienvorbereitung Mathematik" für Studienanfänger der Fachhochschule 8).

Die Einbeziehung von Heimvolkshochschulen in das Betreuungsprgramm der Fernstudienzentren in Niedersachsen hat zu einem in der Bundesrepublik Deutschland hoch begehrten Angebot an Wochenendstudientagen und Bildungsurlaubswochen für Fernstudierende, geführt.

Das differenzierte und flexible Betreuungskonzept der niedersächsischen Fernstudienzentren 9), bestehend aus Regelberatung, Studientagen, Wochenend- und Wochenseminaren erscheint aufwendig, ist aber kosteneffektiv gestaltet. Eine wesentliche Rolle nehmen die Heimvolkshochschulen als Gastgeber für die Kompaktveranstaltungen zum Semesterabschluß ein. Allein in Aurich/Ostfriesland treffen am Ende jeden Semesters ca. 200 bis 300 Fernstudierende ein; in Niedersachsen zählen wir insgesamt 1000 Teilnehmende.

Von ebensolcher Bedeutung ist das Netzwerk der Mentorinnen und Mentoren in unseren Betreuungsprogrammen. Die niedersächsischen und sogar norddeutschen Fernstudienzentren stimmen den Einsatz ihrer Mentoren miteinander ab, weil es in vielen Fällen sinnvoller ist, nicht an jedem Standort eine Mentorin oder einen Mentor zu beschäftigen, sondern diesen größere Einzugsgebiete zu überlassen. Vorbildlich ist hierfür eine Vereinbarung der niedersächsischen Fernstudienzentren für einen kooperativen Einsatz der Mentoren im Hauptstudium Wirtschaftswissenschaft an der FernUniversität.

Zu 2. Wie schon eingangs deutlich gemacht, sind niedersächsische Fernstudienzentren autonom gegenüber der FernUniversität und als zentrale Einrichtungen ihrer Universitäten im Prinzip für Fernstudien jeder Art und auch für eigene Entwicklungen zuständig.

Für die erfolgreiche Adaption eines Fernlehrangebotes und deren Umsetzung in der Region durch vielfältige Kooperationen in einem Netzwerk norddeutscher Fernstudienzentren steht der Fernlehrgang "Ökologie und ihre biologischen Grundlagen" der Universität Tübingen 10).

Die Universität Oldenburg hatte für dieses Fernlehrangebot eigene und externe Wissenschaftler und angesehene Institutionen der Region beteiligt. An der Außenstelle in Emden konnte durch die Beteiligung der Fachhochschule Ostfriesland und der Naturforschenden Gesellschaft zu Emden eine erfolgreiche Übertragung des Fernlehrgangs gelingen.

Aus diesen präsenzphasengestützten Fernlehrgängen ist zuerst ein Kontaktstudium und später ein weiterbildender Studiengang Ökologie/Umweltwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg hervorgegangen.

In der Verknüpfung von regionalen und internationalen Dimensionen ist dem Oldenburger Fernstudienzentrum bereits in der Mitte der achtziger Jahre ein erstes Vorhaben für eine eigene Fernlehrgangsentwicklung gelungen. Die regionale Lehrerfortbildung "Informatische Grundkenntnisse" ist aus einem internationalen Entwicklungsprojekt hervorgegangen 11).

Das Netzwerk der Beteiligten war an Leitsätzen der Association of Teacher Education in Europe (ATEE) zur "Computer Literacy" orientiert und hat der bedeutsamen Entwicklung zur Einführung der neuen Kommunikations- und Informationstechnologie in den Schulen aller Stufen und Arten Vorschub geleistet und den beteiligten Lehrern aus unserer Region Orientierung gegeben.

Mit diesen Beispielen will ich den Rahmen des mir gestellten Themas abstecken und angesichts der beschränkten Zeit enden, ohne auf weitere Entwicklungen und Perspektiven an dieser Stelle eingehen zu können 12).

Fußnoten:

  1. siehe hierzu den Beitrag von Dr. H. Groten, Fernstudienzentren in Kooperation mit Kommunen, der Wirtschaft und der Industrie. (zurück zum Text)
  2. siehe hierzu die Würdigung durch den Wissenschaftsrat, Empfehlungen zum Fernstudium v. 13.11.92, Hannover, Drs. 929/92,
    S.36 ff. (zurück zum Text)
  3. Vgl. Modellversuch Planung, Einrichtung und Erprobung von Studienzentren im Land Niedersachsen für die Kooperation mit bestehenden Fernlehreinrichtungen. Abschlußbericht. Der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst (Hrsg.), Hannover, Dezember 1978 (zurück zum Text)
  4. siehe hierzu den Beitrag von Dr. E. Raters, Fernstudienzentren in Niedersachsen und Bremen - Einrichtung und Entwicklung bis heute. (zurück zum Text)
  5. U. Bernath, G. Hohlfeld, Der Einfluß räumlicher Distanz auf die Lernsituation von Studenten der FernUniversität - GHS - Hagen im Einzugsgebiet des Fernstudienzentrums der Universität Oldenburg. (Studien + Berichte / Universität Oldenburg, Zentrale Einrichtung Fernstudienzentrum; 2), Oldenburg 1986, 19 S.: Ill., graph. Darst., Kt. (zurück zum Text)
  6. Modellvorhaben Region. Kooperationsmodell zentraler Weiterbildungseinrichtungen zur Beratung und Betreuung von Fernstudenten in der Region: Zwischenbericht / Hrsg.: Hochschule Hildesheim, Zentrale Arbeitsstelle für das Fernstudium, Autoren: G. Hohlfeld ..., Hildesheim 1987, 99 S.: graph. Darst.; und
    Modellvorhaben Regio.: Projektbericht / Hrsg.: Hochschule Hildesheim, Zentrale Arbeitsstelle für das Fernstudium. Autoren: U. Bernath, G. Hohlfeld ..., Hildesheim 1988, 115 S.: graph. Darst. (zurück zum Text)
  7. Beratungsstelle Fernstudium an der Fachhochschule Ostfriesland in Emden. Entwicklung und Perspektiven. (Studien + Berichte / Universität Oldenburg, Zentrale Einrichtung Fernstudienzentrum; 9), Oldenburg 1988, 36 S.: graph. Darst., Ill., Kt. (zurück zum Text)
  8. siehe A. Kleinschmidt, Bericht über das gemeinsame Programm des Fernstudienzentrums der Universität Oldenburg (und seiner Beratungsstelle Fernstudium) und der Fachhochschule Ostfriesland zur Studienvorbereitung in Mathematik, in: Hochschule Hildesheim, Zentrale Arbeitsstelle für das Fernstudium (Hrsg.), Studienvorbereitende Maßnahmen Mathematik, Hildesheim 1987, S. 18 - 34 (zurück zum Text)
  9. 15 Jahre Beratung und Betreuung durch das Fernstudienzentrum der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 1978 - 1993, Oldenburg 1993 (zurück zum Text)
  10. G. Pauley, Begleituntersuchung zum Modellversuch "Biologische Grundlagen der Ökologie", Oldenburg 1984, 46 S., Manuskript (zurück zum Text)
  11. I. Wanke, Universität Oldenburg, Fernstudienkurs "Informatische Grundkenntnisse für Lehrer", in: Workshop & Infobörse: Einsatzmöglichkeiten von Fernstudien- und Selbstlernmaterialien an Hochschulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen und in der betrieblichen Weiterbildung; Hildesheim 13./14. Juni 1984. Ergebnisse, Berichte, Referate / Hrsg.: Hochschule Hildesheim, 1985, S. 93 - 96 (zurück zum Text)
  12. siehe hierzu U. Bernath, Networking of Study Centres, Vortrag gehalten auf der Konferenz der UNED und EADTU, The European Open University Network: Course Delivery, Student Support and Study Centres, Madrid, 11. - 13. Februar 1993, wird veröffentlicht im Tagungsband;
    siehe auch den Beitrag von H. Beelen, Erweiterung des Studienangebots durch europäische Kooperation. (zurück zum Text)


Zurück zum Literaturverzeichnis des Fernstudienzentrums